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Ja, ja der erlesene Geschmack, der den Waadtländer ziert, hat Montreux einen höchst eigenartigen Reiz verliehen. Die Grand´rue, die in stets gleicher Breite den Ort durchzieht und nur einmal in eine Buchtung - den "´marche" - ausartet, fletscht links und rechts die Läden, die den berauschten Blicken des Fremden geschnitzte Kunstwerke anbieten, - meist Bären aus Holz in allen Grössen und Stellungen und mit lebenswahr rotfarbigen Zungen. Oh, könnte ich doch einmal - für eine kurze Weile nur - mit einem solchen Kunstwerk unter vier Augen sein! Doch nicht bloss im Darstellen der natürlichen Verrichtung des Bären hat sich der Schönheitssinn des Volkes betätigt, nein, auch einer reichen Phantasie liess er jauchzend die Zügel schiessen. - Der Bär als Schirmständer, als Aschenbecher, als Pfeifenlehne und als Zuhälter des Tintenfasses, kurz der Bär in allen Lebenslagen füllt die Schaufenster. - Wie sie sich vor den Läden stauen, die nordischen fremden Frauen, wenn die kaschubischsemmelblonde Saison beginnt! In appetitlichen Lodenkleidern zum Hochknöpfen. - Schlicht wie Läuse. Eine Holzpuppe ist besonders beliebt bei ihnen: Der Bärenpapa sitzt bei Tisch und raucht, und die Bärenmama züchtigt mit einer echten Rute das Bärenbaby. Der begeisterten Rufe aus holdem Frauenmund ist dann kein Ende: "Achch, sieh`nu`ma`. Zückend! Nöch? Und das Kleinchen da, wie reizend; und so natürlich!"... Das Herz von Montreux ist und bleibt aber der "Kürsaal". Keine grösseren Kosten wurden bei seiner Erbauung gescheut. Dafür sieht er jetzt aber auch aus - - wie ein Kasperltheater, das einen Haupttreffer gemacht hat. (aus "Des deutschen Spiessers Wunderhorn" von Gustav Meyrink) |