Passo del San Bernardino
So lautet sein Name
nach der neuen Landeskarte, weil der grösste Teil seines Trassees auf italienisch-sprachigem Gelände liegt. Mehr
noch: Das Gemeindegebiet
von Mesocco, zu dem auch das
Dorf Bernardino zählt, greift hier
und im benachbarten Val Curciusa ein
gutes Stück über die Passhöhe gegen Norden, um dort auf
Kosten des Rheinwaldes zusätzliches
Weideland zu gewinnen. Aber das merkt man nur, wenn man der
Alten, kurvenreichen Passstrasse den Vorzug gibt – und dies tun
die wenigsten Motorisierten, seitdem (1967) die Direktfahrt
durch den grossartig ausgebauten Bernhardinotunnel möglich
wurde.
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Kernstück
der
N 13
So darf man den Bernhardinpass
wohl nennen. Nach dem endgültigen Ausbau verband die Nationalstrasse
N 13 den Bodensee mit dem Lago Maggiore. So spricht man denn
mit Recht von einer Alpentransversale. In wenig mehr als 1600 m durchsticht der Tunnel
den Hochgebirgskamm und zieht in weicher Biegung fast direkt nach Süden. Da Zu- und
Wegfahrt ausserdem fast
lawinensicher sind und dank den beispielhaften
angelegten Kunstbauten ein ganzjähriger Verkehr gewährleistet
ist, darf man sich nicht
wundern, dass der Betrieb“ durch den Berg“ ständig zunimmt und
das früher so
abgelegen-stille Dorf San Bernardino immer
mehr zum Grosskurort wurde. Das Wort Schneesicherheit ist
wirklich am Platz; wissen
Sie, dass dieser Heimatwinkel die höchsten
Niederschlagmengen der ganzen Schweiz verzeichnet? Bereits sind
Gondelbahnen und Skilifte in Betrieb.
Auf geschichtlichen Spuren
Nie wird der Berichterstatter
jeden trüben Wintertag vergessen, als er sich in Nufenen den Schlüssel zum
„Landschaftsarchiv“ erbat und dann – mehr als sechzig Jahre
sind seither verstrichen
– in atemloser Spannung die drei ältesten Dokumente von 1273,
1277 und 1286 entzifferte. Es sind die ältesten „Erblehens-„
oder Freiheitsbriefe jener Siedler, die als „Walser“ aus dem
Oberwallis, aus der Simplongegend und dem Val Formazza zuwanderten, um in „wilden höhinen“
eine neue Heimat zu suchen. Freiherr Albert von Sax-Misox, der auf der mächtigen Burg bei Mesocco
horstete, hatte die „tütsche lüüt“ in
den oberitalienischen Söldnerkämpfen als zähe,
entbehrungsbereite Männer kennen gelernt und schlug ihnen vor,
sie als Passwacht in den damals noch kaum besiedelten
Hochtälern zu dingen, indem er ihnen eine für jene Zeit
weitgehende Selbständigkeit versprach. Sie rodeten die Wälder,
schufen Matten und Weiden für ihr Vieh. Vor dem Kirchlein von
Hinterrhein steht heute noch ein ungeschlachter Taufstein aus
Granit, der aus jenen Siedeljahren stammten dürfte.
Die alte,
klangvoll-herbe Sprache ihrer früheren Heimat aber haben die „Riiwaaldner“ bis auf den heutigen Tag treu
bewahrt. Darüber weiss
der Verfasser Bescheid, gehört er doch schon seit ihrer
Gründung der „Walservereinigung Graubünden“ an. – Die
Historiker sind sozusagen übereinstimmend zur Überzeugung
gelangt, dass die Walser nicht durchs Urserental und
durchs Bündner
Oberland, sondern durch
das Centovalli über Bellinzona
und das Misox herauf zuwanderten. Der
„Vogelberg“, wie der San-Bernardino-Pass
früher hiess, muss schon vor Jahrtausenden bekannt gewesen
sein. Dies wundert keinen, der von Süden kommt. Ist doch die Mesolcina nach unten weit offen und lädt
direkt zum Anstieg ein. Deshalb waren früher auch die
Beziehungen talabwärts bedeutend besser als über den Pass, der
winters bisweilen wochenlang unpassierbar war. Der Geologe kann
uns sagen, wer als erster
über den „Passo d’uccello“ kam: ein Seitenarm des
eiszeitlichen Gletschers vom Rheinwaldhorngebiet! Kein
aufmerksamer Fahrgast oder gar Wanderer kann die typische
Rundhöckerlandschaft übersehen, in welcher zahlreicher Tümpel
eingebetet sind.
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Verriegeltes Tal
Wir wiesen auf die
„weit offene Mesolcina“ hin. In den harten
Auseinandersetzungen früherer Jahrhunderte wusste man den
leichten Zugang wohl zu wehren. Gewiss war das mächtige
Castello di Mesocco die Hauptfeste im
Tal, bis es im Frühling 1526 bezwungen wurde. Doch dort, wo
jetzt die weithin schauende Kirche San Martino von Soazza aus dem Felsen ragt, soll schon zur
Römerzeit ein Wachtturm gestanden haben. Noch ragen die Ruinen
der Burg Norantola
bei Cama aus dem Gebüsch. Die
„Torre Fiorenzana“ der Herren von Grono mit ihren markanten
Schwalbenschwanz-Zinnen war noch vor wenigen Jahren bewohnt. Und wer die „Torre
di Pala“ auf einem mächtigen
Absturzblock über San Vittore“ vor
sich hat, kann kaum begreifen, wie man dort hinauf den Zugang
fand. Der rätselvollste Burgturm aber ist die „Torre di Sta.Maria“ hoch über dem Tal, über einem
Fünfeck erbaut und mit einem sechs Meter dicken Blockkeil gegen
die Angriffseite. Doch niemand weiss etwas von ihrer
Vergangenheit. Wie der Gang eines Borkenkäfers ist die Treppe
im Turmgemäuer ausgehöhlt – die Schweiz kennt nichts
Vergleichbares.
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