Am Kerenzerberg
„Was? Seit im Jahre 1964 die A 3
als Direktroute dem Walensee entlang in Betrieb genommen wurde,
fällt es keinem Motorisierten mehr ein, den Umweg über
Näfels-Mollis-Obstalden und
damit einen Anstieg um mehr als 300 Höhenmeter in Kauf zu
nehmen!“ Der Einwand scheint berechtigt, obschon zuzeiten der
Grossverkehr dem See entlang diese berühmt-berüchtigte
Nationalstrasse hoffnungslos verstopf. Und anderseits gibt es doch
zu denken, wenn ein alter Routenführer der Schweizerischen
Verkehrszentrale sagt: „Einzigartigen Genuss bietet das
Strassenstück von Mollis über den Kerenzerberg nach Mühlehorn.“
|
Not und Ruhm der Bergdörfer
Den „Seuchenherd der Schweiz“ hat
man noch vor wenig mehr als 150 Jahren das Glarner Unterland und
anschliessende Linthebene genannt. Weil man im Interesse einer
raschen Industrialisierung der Seitenhänge rücksichtslos abgeholzt
hatte, kamen sie im Frühlingsföhn und nach langen Regenzeiten ins
Rutschen, hoben und verstopften das Bett der alten Linth, so dass
der Fluss sich in Hochwasserperioden bis zu fünf Meter über den
Normalspiegel hob und bitterböse Überschwemmungen mit
anschliessenden Seuchen die Folge waren. Es
ist vor allem dem Zürcher Hans Conrad Escher (1767-1823) zu
verdanken, dass dank einer für jene Zeiten grossatigen Melioration
aus dem hoffnungslosen Sumpfgelände herrliches Fruchtland wurde.
Daran
denken wir wohl, wenn wir kurz vor Mollis den Escher-Kanal
überfahren: Durch ihn wurde das Linthwasser in den Walensee geleitet, wo es sein
Geschiebe gefahrlos deponieren konnte und bis zur Gegenwart kann.
– Aber das Glarner Unterland hat ja noch
mit anderem Menschenwerk aufzuwarten. Da sind die trefflich
ins Umland eingefügt, weitgehend durch Bäume und Buschwerk
getarnten Fabrikanlagen der Eternit AG in Niederurnen. Bestimmt
wird uns ein Kunstkenner
zu Näfels auf den Freuler-Palast aufmerksam machen, der am
Strassenknie hervorragt. Man kann ihn das bedeutendste
Kunstdenkmal des Kantons nennen, den zwischen 1645 und 1647
erbauten Herrensitz des französischen Diensten stehenden
Gardeobersten Caspar Freuler. Als herrliches Museum ist der Palast
den ganzen Sommer für jedermann zugänglich. Wie selbstbewusst
stellt sich das Zwicky-Haus von 1621 in die Molliser Gasse! Und
wenn wir Aufwärtsfahen einen Blick auf das trefflich
proportionierte „Haltli“, das einstige Herrenhaus, werfen wird uns
recht eigentlich bewusst, dass der Kanton zwischen den Bergen
nicht nur wegen der köstlichen
„Glarner Pasteten“ und des
weitherum bekannte“
„Glarner Zigers“ bekannt sein sollte.
|
Blick zu Tal
Je weiter wir der kurvenreichen
Strasse folgen, um so mehr wird uns
bewusst, was für ein reichgesegnetes Kulturgebiet das ehemalige
Sumpf- und Moorland geworden ist. Doch wenn wir aus dem schattigen
Britterwald gegen Filzbach umbiegen, öffnet sich die Schau auf den
tiefblauen Walensee unter uns und auf die Sonnenwanne von Amden,
dort gegenüber. Wir kennen sie bereits von unserer vorherigen Fahr
über die „Höhi“ ins Obertoggenburg. Uns jetzt reihen sich
immer beherrschender die Seitenflanken der Churfirsten auf.
|