Die Eisgrotte im Rhonegletscher

 

Seit über 160 Jahren ermöglicht es Grotten im Rhonegletscher jedem, mühelos in den Gletscher hineinzuspazieren. Bereits um 1830 gab es ein natürliche Grotte beim Ausfluss des Gletschers. Später wurde von den  Alpgeteilten der Gletschalpe, die den Gletscher als ihr Eigentum ansah (er ist heute noch im Besitz einer Aktiengesellschaft, die der Kanton Wallis erst Ende 1984 von Privaten übernahm), Grotten in den Gletscher getrieben, um den Touristen eine Attraktion zu bieten. Der Betrieb  dieser Grotte wurde unter den Geteilten fünf  Jahre versteigert und der Steigerungserlös nach Kuhrechten verteilt. Bis ca. 1885 wurde die Grotte rechts vom Austritt des Gletscherbaches und anschliessend links davon in die Gletschergestirn eingehauen. Vor der Jahrhundertwende ging die untere Grotte ein, da sich der Gletscher zurückzog. Seit spätestens 1894 wird die Grotte im Belvedere immer Wieder mit viel Mühe in den Gletscher geschlagen. So berichtet 1906 F. A. Forel (1841 – 1912, bekannter Natur- und Gletscherforscher, Professor an der Uni Lausanne), dass die künstlichen Grotten durch das klarste Eis gehen und dass er fast nirgends einen Gesteinsbrocken angetroffen habe. „Ich kenne von keinem anderen Gletscher ein so prachtvolles, tiefes und starkes Blau wie es die sogenannte Azurgrotte des Rhonegletschers oder die unter Gletscher ausgeschmolzenen Höhlen bieten, in die ich seinerzeit  ohne die geringste Gefahr hineinkriechen konnte.“ Heute wird die Eisgrotte bereits in der 4. Generation von der Familie Carlen erstellt und betrieben. Der Gletscher arbeitet und wandert, muss die Grotte jeder  Jahr neu ausgehoben werden, Im Bereich der Eisgrotte macht die Gletscherbewegung 30 – 40 m jährlich aus, das sind etwa 10 cm im Tag. Im Frühjahr ist der Grottengang der vorjährigen Saison jeweils so stark verschoben, dass man keinen Zugang mehr hat. Daher ist es auch nicht möglich einen Teil des alten Ganges zu benutzen, sondern diese muss vollständig neu erstellt werden. Jeweils Mitte Mai fliegt eine Arbeitsgruppe per Helikopter ins Belvedere  und landet auf dem Dach des Eisgrotten-Bazars. Sie bleiben hier mehrere Wochen abgeschlossen von der Umwelt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Furkastrasse wegen dem übriggebliebenen Schnee vom letzten Winter nämlich noch nicht passierbar.

Auf dem Parkplatz im Belvedere und hinter dem Hotel können dabei 10 und mehrere Meter Schnee liegen. Zur Equipe gehören 7 Mann, die für den Aushub des Eistunnels verantwortlich sind, sowie Elektriker, Mechaniker und ein Koch. Da im Frühjahr die Zufuhr von elektrischem Strom meist wegen Lawinenniedergängen unterbrochen ist, wird mit einer Notstromgruppe von 35 kW Leistung die benötigte Energie erzeugt. Es wird in 2 Schichten gearbeitet, von 5 Uhr morgens bis 11 Uhr nachts. Nach gut einem Monat, ca. Mitte Juni, wenn die Furkapassstrasse nach der Wintersperre wieder aufgeht, ist das Werk vollendet. Ein Eistunnel von 100 oder mehr Metern Länge, mehr als 2 m Höhe und eine Breite, die bequem zwei Personen nebeneinander vorbeigehen lässt, erwartet den Besucher und gibt die Geheimnisse des Gletschers preis. Am Ende des Ganges befindet sich die Gletscherkammer, 8*5*3 Kubikmeter gross. Während der Sommermonate wartet hier eine kleine Überraschung. Dem Besucher wird nämlich von 2 Eisbären (Männer, die als Eisbären  verkleidet sind) freundlich auf die Schulter geklopft. Vor allem Kinder, aber auch viele Erwachsene freuen sich, dem Eisbären die Hand schütteln zu dürfen. Auf Wunsch kann ein Foto gemacht werden, das innerhalb weniger Tage dem Besucher nach Hause geschickt wird. Tausend Erinnerungen an glückliche und aufregende Stunden schmücken so Wohnzimmer in allen Ländern der Welt. Die Grotte zu erstellen, erfordert grosses Geschick und viel Erfahrung; man muss den richtigen Eingang finden, Spalten umgehen, Wassereinbrüche vermeiden und den Weg so legen, dass er den ganzen Sommer über begehbar bleibt. oft muss zuerst ein mehrere Meter tiefer Schacht durch den Schnee am Gletscherrand gegraben werden, um überhaupt ans Eis zu gelangen. Total werden etwa 350'000 Kg. Eis ausgehoben. Das Eis wird mit Spezialwerkzeugen gearbeitet. Es sind dies Eispickel, die speziell für diesen Zweck geschmiedet werden, sowie elektrische Kettensägen mit besonders geschliffenen Ketten. mit Hilfe der Kettensägen werden nach einem bestimmten System Eisblöcke geschnitten. Diese werden mit den Eispickeln herausgeschlagen. Die einzelnen Blöcke können  eine Masse von 500 kg und mehr  aufweisen. Anschliessend wird das Eis zerkleinert und ins Freie transportiert. Gegen Ende Oktober wird gewöhnlich der Furkapass wegen Schneefalls geschlossen. Seit Beginn der Saison hat sich einerseits der Gletscher um fast 20 m talabwärts verschoben, anderseits aber ist  das Gletschereis während den Sommermonaten stark abgeschmolzen. Hatte die Eisgrotte bei Saisonbeginn eine Länge von 100 m, so sind es im Oktober meist nur noch 60 – 80 m. Dies bewirkt, dass der Eingang zur Grotte bei Saisonende noch etwa an derselben Stelle oder etwas höher liegt als bei Beginn. Wegen der Verschiebung des Gletschers und dem starken Abschmelzen muss die Brücke beim Eingang der Grotte im Hochsommer wöchentlich und in den etwas weniger warmen Monaten alle 14 Tage verschoben uns neu aufgebaut werden. Ausserdem erfordert der Unterhalt der Eisgrotte täglich einen Aufwand von mehreren Stunden an Arbeit. So muss der Boden aus Holzbrettern immer wieder neu angelegt und gerichtet werden, der Gletscher muss oberhalb des Einganges von Steinen gesäubert und gefährliche Eisstücke beim Eingang und in den Gletscherspalten müssen entfernt werden. Wird die Dicke der Eisdecke beim Eingang zu klein, muss diese ebenfalls entfernt werden.



 

Die Dicke der Eisdecke in der Gletscherkammer beträgt bei Saisonbeginn zwischen 15 und 20 m. Bei Saisonende uind es nur noch knapp 10 m. Der Weg zum Gletscher hat einen besonderen Reiz. Ein eigenartiges Licht leuchtet und schimmert in gläserner Durchsichtigkeit tausendfach. Sind die ersten Schritte in den Gletscher getan, wechselt das Licht und strömt bläulich über den Besucher. Aus fernen Spalten tosen Wasserbächlein unter dem Fuss knirscht das Eis. Die Wände sind ins glatte Eis geschnitten, das sich kristallgläsern anfasst. Da es sich beim Rhonegletscher im Ablationsbereich um einen temperierten Gletscher handelt, liegt die Eistemperatur bei 0° C. Das ist auch die Temperatur in der Eisgrotte am frühen Morgen. An heissen Sommertagen, wenn viele Gäste die Grotte bewundern und verschiedene Spalten und Löcher im Eis warme Luft aus den dem Freien in die Eisgrotte strömen lassen, kann diese aber bis auf 4 – 5° C ansteigen. das Alter des Eises der Eisgrotte beträgt 200 bis 300 Jahre, was an hand der jährlichen Gletscherbewegung berechnet werden kann. Somit besitzt auch das „ewige Eis“ eines der grössten Alpengletscher ein nur recht kurzes Leben. Im Innenleben der Eisgrotte kann die Schichtung des Eises beobachtet werden, Ähnlich wie Jahrringe des Eises eines Baumstammes zeugen  auch  im Gletscher aufeinanderliegende Schichten von seinem Wachstum. Diese Schichten  können aber infolge der Gletscherbewegung deformiert sein, da sich das Eis der Form des Gletscherbettes anpasst .Die Eisschichten sind oft durch sehr schmale Bänder aus Staub und  Blütenpollen getrennt, die sich vor allem im Sommer und Herbst am Ende der Ablationsperiode, wenn  die Gletscherumgebung schneefrei ist, anlagern. Ebenfalls erkennt man einzelne Eiskörner und findet sphärische oder tropfenförmige Einschlüsse von Luftblasen, die einen Durchmesser von bis zu einem und mehr Millimetern aufweisen können. Luftarmes Eis ergibt eine blaue, luftreiches eine helle weissliche Farbe. 
Aus Mercantone: „Vermessungen am Rhonegletscher“ Gletscherboden. Der Eisstollen ging zuerst 31 Meter, etwas schräg zur Fliessrichtung des Gletschers, in Eis hinein, bog  dann  90° nach links um weitere 20 m vorzudringen und nach einer Rechtskurve und weitere 14 m in einer rechteckigen, 5 m langen Kammer mit einer grossen Mittelsäule zu enden. Der Gang war 1 m breit, 2 m hoch und lag etwa 4 m über dem Gletscherbett. Er wurde im Juni erstellt. Am 29. August vermassen die Ingenieure der Gletscherkommission  die Grotte. Mit Ausnahme des 14 m langen Teilstücks, das in Fliessrichtung, des Gletschers  lag, waren die Wände nicht mehr senkrecht, sondern hatten eine Neigung von etwa 15°. Dadurch konnte gezeigt werden, dass die Bewegung des Eises im Inneren des Gletschers nicht gleichförmig ist. sondern, dass sich das Eis nahe der Gletscheroberfläche stärker fortbewegt als jenes das gegen das Gletscherbett hin liegt. Höher liegende Schichten gleiten auf den darunterliegenden.
Unter den mehreren Tausend Gästen die alljährlich die Eisgrotte im Rhonegletscher besuchen, waren im Verlaufe der Jahrzehnte auch Prominente. In früheren Jahren beispielsweise Kaiser Haile Selassie aus Äthiopien, Kardinal Guiseppe Ronati, der spätere Papst Johannes XXIII oder der König von Siam, dem Heutigen Thailand. In den letzten Jahren erfrischte sich etwa Franz-Josef Strauss, langjähriger bayrischer Ministerpräsident, Kurt Felix, Moderator der TV-Sendung „Verstehen Sie Spass“. der James Bond Darsteller Sean Connery und der Schauspieler und Oscarträger Yul Brynner im kühlen Rohengletscher.

 

 

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